Gefühle-Letter Nr. 86 Gefühlschaos und Werte

So langsam haben wir uns eingerichtet in dieser verrückten Situation. Halten durch Skype und ähnliche Online-Tools Kontakt mit unseren Lieben und Kollegen, und nehmen teil an den vielen schönen Initiativen, wie wir einander das Leben ein bisschen leichter machen können.

Dann gibt es auch noch eine andere Seite, die schwierigeren Momente. Was sind Ihre größten Herausforderungen zurzeit? Jemand aus der Familie im Krankenhaus oder Pflegeheim, der nicht besucht werden darf? Sorge um Risikopatienten im nahen Umfeld? Seelische Schmerzen wegen der erzwungenen Trennung von Partnerinnen und Partnern, der räumlichen Entfernung zu Kindern und Enkeln? Ärzte und Pflegepersonal in der Familie und damit die Ansteckungsgefahr stärker in die Nähe gerückt? Technische Hürden bei der Umstellung auf Home Office, die bei der Bewältigung viel Zeit brauchen? Die fehlende Ruhe am Arbeitsplatz zu Hause? Die Sorge um den Arbeitsplatz oder die Firma? Die Angst, selbst schwer krank zu werden? Einsamkeit? Stress innerhalb der Familie auf engem Raum?

Falls Ihnen zwischendurch mal die Decke auf den Kopf fällt, und Sie einen Moment der Verzweiflung erleben, warum auch immer, empfehle ich Ihnen die folgende Übung von Susan David (aus einem TED Video, das ich leider nicht wieder gefunden habe…):

Teil 1:
Sie erleben eine überfordernde Situation. Sie benennen Ihr Gefühle, etwa “So fühlt es sich an, wenn ich traurig, verzweifelt, außer mir bin”. Schon alleine das Benennen eines Gefühls hilft Ihrem Gehirn, mit diesem Gefühl besser fertig zu werden. (mehr dazu siehe Gefühle-Letter Nr. 44 )
Sie fragen sich: Was will mir dieses Gefühl sagen? Davon, wer ich bin und was mir wichtig ist? Die Antworten werden vielleicht sein, dass Ihnen die Nähe zu Ihren Lieben wichtig ist, oder dass Sie Ihre Kinder optimal fördern möchten, oder dass Sie sich gerne konstruktiv mit Ihrem Partner unterhalten würden, oder gerne fokussiert für Ihren Arbeitgeber arbeiten würden. Das alles sind Werte, die Sie als Person ausmachen.

Teil 2:

Wenn der erste Teil zu schwierig ist, nehmen Sie sich Papier und Stift, und schreiben Sie alles auf, was Ihnen durch den Sinn geht. (Schreiben mit Hand ist besser als am PC, das geht aber notfalls auch).

Nach einer kleinen Weile fragen Sie sich: „Wer möchte ich sein, was ist mir wichtig, sogar in dieser chaotischen Situation?“ Schreiben Sie zehn Minuten lang ohne abzusetzen, ohne darüber nachzudenken.

Zum Abschluss fragen Sie sich dann: „Was weiß ich, das mir jetzt hilft? Was davon kann und will ich jetzt tun?“

Sie werden sehen, dass Sie nach diesen zehn Minuten wieder einen Überblick haben, aus dem Chaos herausgekommen sind und wieder Ihre Kreativität und Klugheit zur Verfügung haben, die Ihnen vorübergehend verloren gegangen ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass Sie zu Ostern einen Weg finden, wie Sie diese Feiertage möglichst nah an Ihren Wünschen verbringen können.

Ich grüße Sie von Herzen im Namen des ganzen Gefühlsmonster-Teams,

Lilli Höch-Corona