Fragen Sie sich zur Zeit öfter, warum etwas so ist wie es ist? Warum diese Krise, warum müssen Sie jetzt Ihre Kinder unterrichten, warum Kurzarbeit, warum die Angst vor Ansteckung, warum soziale Distanz?
Die „Warum?“-Frage ist grundsätzlich nicht so praktisch. Entweder bringt sie uns in unsere Kinderzeit zurück und verleitet uns dazu, uns zu verteidigen – oder sie hält eine schwierige Situation fest statt uns zu ermutigen, über hilfreiche Aspekte oder Lösungen nachzudenken.
Fall 1: Jemand fragt Sie, warum Sie etwas getan haben oder tun wollen.
Zum Beispiel: „Warum kannst du deine Anliegen nicht ruhig vorbringen?“ „Warum sagst du ihm nicht deine Meinung?“
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie diese oder eigene Warum-Sätze hören?
Sie fühlen sich wahrscheinlich schlecht und fangen an, sich zu verteidigen. In Mediationsausbildungen lehren wir deshalb, anders zu fragen.
Zum Beispiel „Was ist dir wichtig an deinem Thema?“ oder „Was ist deine Sorge, wenn du es ansprechen würdest?“ Auch: „Wofür ist es wichtig, dieses Thema jetzt anzusprechen?“
Fall 2: Sie fragen sich selbst, warum Sie etwas erlebt haben oder erleben.
Zum Beispiel: „Warum passiert mir das jetzt?“ „Warum diese Krise?“
Antworten fallen Ihnen dazu wahrscheinlich nicht ein. Stattdessen plagen Sie sich mit schwierigen Gefühlen. Können Sie es spüren, dass Sie sich fast automatisch in einer Haltung der Ohnmacht wiederfinden?
Wenn Sie „wofür“ an die Stelle des „warum“ setzen, beginnt eine andere Dynamik. Anstatt sich Gedanken über Vergangenes zu machen, das Sie nicht beeinflussen können, werden Sie durch diese Frage auf Zukünftiges umgeleitet.
ÜBUNG: Nehmen Sie doch gerade mal die letzte Situation, in der Sie sich die Warum-Frage gestellt haben, und fragen Sie sich stattdessen
„Wofür passiert mir das jetzt?“
Spüren Sie in sich herein, was sich verändert. Können Sie die Veränderung von dem „warum?“ zu dem „wofür?“ spüren?
Was verändert sich dadurch für Ihre Situation? Wie fühlt sich das an?
Was dabei passiert ist folgendes:
- Sie akzeptieren die Situation. Das ist die beste Ausgangshaltung für jede Veränderung.
- Sie werden durch diese Frage dahin geleitet, sich Gedanken darüber zu machen, was an diesem Erlebnis richtig ist. Wahrscheinlich nicht gut, sondern richtig. Etwas, dessen tieferer Sinn sich vielleicht bis jetzt nicht erschlossen hat.
- Damit kommen Sie in eine Haltung, in der Ihre Kreativität gefordert ist und in der Sie Neues denken können.
Wie ging es Ihnen mit dieser kleinen Übung? Hat sich durch die veränderte Frage etwas an ihrer Einstellung zu der Situation geändert?
Wie fühlen Sie sich jetzt?
Zurück zu der Frage „Warum diese Krise„. Könnte es sein, dass wir mit der Frage „Wofür diese Krise?“ tatkräftiger unterwegs sind, eher über Lösungen für drängende Themen nachdenken? Was meinen Sie dazu?
Mit herzlichen Grüßen,
Lilli Höch-Corona
PS 1: Oh, ganz wichtig: die „wofür“- Frage bitte nur an sich selbst stellen. Wenn Sie bereit dazu sind. (Wohlmeinende Freundinnen und Freunde, die gleich mit der „Wofür?“-Frage kommen, wenn Sie etwas Schwieriges erleben, sind so gar nicht beliebt…. Besser ist es allemal, erst einmal zu fragen, was die Person jetzt braucht und es ihr zu überlassen, wann sie über nützliche Aspekte dieser Situationen nachdenken möchte….)
PS 2: Danke an Veit Lindau, dessen Podcast Nr. 162 (https://www.youtube.com/watch?v=-btL9jaSSfo – sehr empfehlenswert, ihn in voller Länge zu schauen!) mich zu diesem Beitrag angeregt hat