Haben Sie in der letzten Zeit versucht, zu meditieren? Sich auf positive Gefühle zu konzentrieren und alle anderen Gedanken entspannt an sich vorbei ziehen zu lassen?
Und: wie klappt das bei Ihnen?
Wir machen die Erfahrung, dass wir unseren Fokus bei einer Sache halten können, wenn wir das unbedingt wollen. Regelmässig meditieren, weniger Schokolade essen, Aufhören mit Rauchen, angenehme Gefühle pflegen etc. All das können wir schaffen. Sobald aber etwas Stress auftaucht, fällt es uns viel schwerer, und wir fallen in alte Muster zurück.
Woran das liegt? Unser Gehirn funktioniert so, dass es uns mit kurzfristiger Stressreduzierung lockt. Schokolade sehen – essen – uns besser fühlen.
Aber an dem Grundgefühl ändert sich nichts, oder?
Judson Brewer, Psychiater und Suchttherapeut, hat in seinen Forschungen zur Achtsamkeit etwas Überraschendes herausgefunden. Anstatt sich zu zwingen, eine unliebsame Gewohnheit zu ändern, wurde den Probanden freigestellt, ihre Gewohnheiten zu ändern oder beizubehalten. Der neue Vorschlag war: sie sollten dies mit einer neugierigen Haltung tun, sich wie ein Forscher in eigener Sache dafür interessieren, wie es sich anfühlt, diese momentane Erfahrung zu machen.
Das Ergebnis überraschte die Wissenschaftler und die Probanden: Vielen fiel es plötzlich leichter, ihr Verhalten zu ändern. Durch die neugierige Haltung war es möglich, eine tiefe innere Einstellung zu der ursprünglichen Gewohnheit zu finden, statt der – schon vorhandenen – kognitiven Überzeugung, dass diese Gewohnheit für den Probanden nicht gut sei. Brewer nennt das „Wissen in den Knochen“, statt im Kopf. Einfach dadurch, dass die Probanden eine Neugier auf ihre eigene Erfahrung entwickelten.
Zum Beispiel fand eine Raucherin in dieser forschenden Haltung heraus, dass sich Rauchen für sie eigentlich ganz eklig anfühlt…..
Kleiner wissenschaftlicher Input:
Unser präfrontaler Kortex ist in der Lage, unser Verhalten kognitiv zu kontrollieren. Das klappt im Normalfall super. Unglücklicherweise ist dieser Teil unseres Gehirns der erste, der „offline“ geht, wenn wir Stress haben.
Wir kennen das. Bei Stress tun und sagen wir Dinge, die wir gar nicht bei ruhigem Kopf tun oder sagen würden. Schreien jemanden an, obwohl wir genau wissen, dass dies nicht hilfreich ist. (Dieser Zusammenhang ist übrigens die Grundlage dafür gewesen, dass wir unsere Figuren Gefühlsmonster genannt haben.) „Ehe ich mich versah…..“, „plötzlich überkam es mich…“, „ich weiß gar nicht, wie mir geschah…“, „ich wollte doch eigentlich….“ sind Formulierungen, die wir alle in der einen oder anderen Art verwenden.
Wenn der präfrontale Kortex ausfällt, fallen wir also in unsere alten Gewohnheiten zurück.
Was kann helfen?
Ganz einfach: eine innere Haltung von Neugier!
Kein Zwang, ein bestimmtes Verhalten durchzuhalten.
Keine Bewertung der Entscheidung, die wir treffen.
Nur Neugier auf unsere ganz persönliche Erfahrung.
Ganz „nebenbei“ stellen wir dadurch an die Stelle unseres besserwissenden inneren Kritikers den interessierten Forscher – Sie werden sehen, dass sich das besser anfühlt und dem Selbstwertgefühl gut tut….
Möchten Sie das ausprobieren? Dann wählen Sie doch gleich eine Gewohnheit aus, die Sie in dieser Woche beobachten möchten. Ich wünsche Ihnen spannendes Forschen!
Danke, Judson Brewer, für Ihren informativen TED Talk, aus dem ich vieles für diesen Gefühle-Letter nehmen konnte. Hier der link zu seinem 15minütigen Vortrag auf englisch: Vortrag Judson Brewer